Sonntag, 21. April 2013

Wizard’s First Rule (Terry Goodkind)

(zu dt.: “Das erste Gesetz der Magie”; 1. Buch der 11-bändigen abgeschlossenen Serie „The Sword of Truth“)
“Troubles always comes in threes”, sagt ein altes Sprichwort in Westland, dessen Richtigkeit Richard Sypher, der dort als ein einfacher Waldführer lebt, eines schönen Sommertages selbst bestätigen kann. Zuerst sticht er sich an einer Ranke, die sich als giftig herausstellt, dann erblickt er ein großes, rotes, gefährlich aussehendes Wesen am Himmel und kurz darauf begegnet er mitten im Wald einer wunderschönen Frau in einem weißen Kleid, die von vier Männern verfolgt wird, die bis an die Zähne bewaffnet sind.
Richard’s Entschluss der Frau zu helfen, die sich ihm als Kahlan Amnell vorstellt, wird sein Leben auf immer verändern. Ehe er es sich versieht, lernt er einen mächtigen Zauberer kennen, muss um sein Leben kämpfen und erhält persönlich den Auftrag die Welt vor dem Despoten Darken Rahl zu retten, der nach D’Hara nicht nur Westland, sondern auch die Midlands unter seine Gewalt bringen will.




Ich meine, ich habe schon einmal erwähnt, dass ich Fantasy mag, in der man sich so richtig verlieren kann. Dazu gehört ein ausgeklügeltes Gesellschaftskonzept, d.h.: Wie Leute dort leben, welche unterschiedlichen Sitten, Gepflogenheiten und Sprachen einzelne Völker oder Stämme haben, welche politischen Strukturen es gibt. Und dazu gehört auch eine Vielzahl unterschiedlicher Charaktere die, auch wenn sie eindeutig der guten oder bösen Seite zuzuordnen sind, nie gänzlich eindimensional wirken, sondern einfach nur menschlich.

Misst man Terry Goodkinds Erstlingswerk nach diesen Maßstäben, müsste man eigentlich davor auf die Knie fallen.
Mit Richard und Kahlan als Hauptcharaktere bietet der Autor männlichen sowie weiblichen Lesern reichlich Identifikationsmöglichkeiten. Beide sind willensstarke, eigenständige und stolze Persönlichkeiten, die zwar nicht immer richtig handeln, sich aber doch stets leidenschaftlich für das Gute einsetzen.
Mit dem gefährlich aussehenden aber im Wesen herzensguten Grenzwächter Chase, der nie ohne mindestens zehn Waffen aus dem Haus geht, dem alten zaundürren Zauberer, Zeddicus Zul Zorander, der ständig hungrig ist und gerne splitternackt auf seinem Zaubererfelsen die Wolken beobachtet, oder auch mit der blinden Magierin, Adie, der ein Bein von Unterweltwesen abgeknabbert wurde und die Unheilvolles mit verschiedensten Knochen von sich fernhält, hat Terry Goodkind eine Vielzahl interessanter Nebencharaktere geschaffen.

Die Geschichte an sich enthält eher klischeehafte Elemente:
- Ein unwissender junger Mann wird plötzlich zum Held auserkoren, um die Welt zu retten, und findet sich mit Aufgaben konfrontiert, die zunächst unlösbar scheinen.
- Ein fast aussichtsloser Kampf einer kleinen Fraktion des Guten gegen das stetig stärker werdende Böse
- Verbotene Liebe zwischen den Hauptcharakteren ( War klar, oder ;) )
Der Autor kombiniert diese Elemente jedoch so geschickt und umkleidet sie mit so viel neuwertigen und unkonventionellen Ideen, dass „Wizard’s First Rule“ trotzdem aufregend und spannend bleibt.

Falls es etwas an dem Buch auszusetzen gibt, dann dass es (obwohl dezenter als bei anderen Fantasy-Werken, aber doch vorhanden) einige langatmige Stellen gibt.
Außerdem vertreten die Charaktere (oder doch der Autor selbst?!) ihre Meinung sehr plakativ und brechen ihre philosophischen Glaubensgrundsätze oft mit simplen Gleichnissen so weit herunter, das es „jedes Kind“ versteht. Ein wenig mehr Subtilität hätte hier nicht geschadet.
Für meinen Geschmack hätte Goodkind auch seine Folter- und Gewaltszenen nicht so ausführlich und detailreich schildern, wie er es getan hat.

„Wizard’s First Rule“ ist Unterhaltungslektüre, die meiner Meinung nach mehr als nur ein Mal unterhält. Abgesehen von einigen Kleinigkeiten, an denen man herumnörgeln kann, hat mir das Buch sehr gut gefallen. Es ist definitiv eines der fesselndsten Fantasybücher, die ich je gelesen habe. Bekommt einen gut sichtbaren Platz in meinem Buchregal.

Sonntag, 14. April 2013

Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär (Walter Moers)



Ja, es handelt sich bei der Titelfigur tatsächlich um den Käpt’n Blaubär den wohl viele aus der „Sendung mit der Maus“ oder dem österreichischen Apotheken-Kindermagazin „Medizini“ kennen dürften. Sein Erfinder Walter Moers setzt den Blaubär in diesem Buch, das für Erwachsene geschrieben wurde, jedoch in einen völlig anderen Kontext:
Ein Blaubär ist ein Lebewesen des Kontinents Zamonien, das 26 Leben besitzt. In „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ erzählt er uns eben die ersten dreizehneinhalb davon. Da es auf Zamonien die seltsamsten Lebensformen und erstaunlichsten Landschaften und Naturphänomene gibt, gestaltet sich sein Leben sehr abenteuerlich. Denn von Waldspinnenhexen und Tratschwellen über eine gefangene Fata Morgana und einem ewigen Tornado bis hin zu denkendem Sand und Dimensionslöchern ist hier wohl alles Spannende und Absurde, das einem in Zamonien begegnen kann, vertreten.
 

Diese fiktive Biographie hat sich vollkommen dem Humor verschrieben. 700 Seiten lang beschießt einen Walter Moers in diesem Buch mit einer herrlichen Idee nach der anderen. Jedes Kapitel sprüht nur so vor unerwarteten, auch oft grotesken Einfällen.
Wenn der kleine Blaubär mal in der Klemme steckt, ist man sich nicht nur sicher, dass alles gut ausgehen wird, sondern die Situation kommt einem häufig so absurd und komisch vor, dass man nicht anders kann als trotzdem zu lachen. Selten hat mich ein Roman konstant so erheitert wie „Die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär“.
Besonders gefallen hat mir da zum Beispiel, die Feinschmecker Insel, die einen zuerst mit den köstlichsten Speisen mästet (Kakaoflüssen, Toastblätter, etc.), nur um einen dann selbst verspeisen zu wollen, oder das Wüstenvolk der Gimpels, das auf der Suche nach der Stadt Anagrom Ataf ziellos umherirrt und sich nur von einem Kaktus mit halluzinogener Wirkung ernährt.

Nicht nur die Situationen in die der Blaubär gerät, sondern auch die Personen auf die er trifft sind sehr erheiternd. Mit ihrem seltsamen Äußeren und noch seltsameren Angewohnheiten sind sie nicht viel mehr als Karikaturen. Trotzdem werden einem einige davon im Laufe der Geschichte tatsächlich sympathisch.
So z.B.: Die kleine hässliche Berghutze Fredda, die sich in Blaubär verliebt und ihm dauernd Bleistifte ins Ohr steckt, oder der südländische Dschungel-Zwerg Chemluth Havanna, der nur auf extrem haarige Frauen steht und mit dem sich Blaubär einige Zeit lang eine Wohnung in Atlantis teilt.

Der Roman ist zudem reichlich vom Autor selbst illustriert. In klarem Comicstil begleiten die schwarz-weiß Federzeichnungen humoristisch den Text, wobei vor allem die Porträts einiger Charaktere, denen man im Buch begegnet, einfach spitze sind.

Mal wieder Lust auf unkontrollierte Lachkrämpfe?
Mit „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ bietet Walter Moers dem Leser geballten, absurden Klamauk, der eher der Phantastik als der Fantasy im klassischen Sinn zuzuordnen ist. Wer wie ich schräge Komik sowie herrlich unmögliche Szenarien liebt, wird hieran seine helle Freude haben.
Wer allerdings mit Unrealem und Blödeleien nichts anfangen kann, wird sich wundern, dass andere darüber so herzhaft lachen können.

Montag, 8. April 2013

Sommerfreunde (Lois Lowry)

 (zu engl.: „Taking care of Terrific“)

Die 14-jährige Hedwig Irene Crowley hasst ihren Namen (schließlich enden nur Wörter wie grausig, eklig, oder schleimig auf –ig). Darum legt sie sich für einen Sommer den Namen Cynthia als Synonym zu, und mit dem neuen Namen auch gleich ein neues Leben. Das stellt sie sich toll und aufregend vor, voller neuer Bekanntschaften, Romanzen und Abenteuer. Ob das in einem Sommer funktioniert, in dem alle Freundinnen auf Urlaub sind und man selbst nichts weiter zu tun hat, als einen Zeichenkurs zu besuchen und für Taschengeld auf einen kleinen Jungen aufzupassen?
Und ob! Wenn sich der kleine Junge Tom Troll nennt, man sich im Park mit einem eigensinnigen schwarzen Saxophonspieler anfreundet und heimatlose Stadtstreicherinnen zu einem Protestmarsch für die Wiedereinführung von Rotbeereis bewegen kann, wird es selbst Hedwig alias Cynthia kein bisschen langweilig.



Ich sage es gleich frei heraus, ich bin völlig begeistert von diesem Buch.

Die Charaktere sind liebevoll entworfen und man gewinnt jeden von ihnen trotz der Kürze des Buchs bis zum Ende lieb. So wie zum Beispiel Mrs. Kolodny, die schrullige Haushaltshilfe der Crowleys, die in ihrer Zerstreuung immer alles durcheinander bringt und in ihrer Freizeit ausschließlich Soaps schaut und Schundromane liest, oder den kleinen offenherzigen Joshua, auf den Hedwig aufpassen muss.

Es ist außerdem erstaunlich wie viele Themen in „Sommerfreunde“ auftauchen, lustige sowie ernste: Vorurteile gegenüber anderen, Freundschaft, erste Jugendliebe und den Mut zu finden, für seine Träume einzustehen sind die großen Themen, die hier auf eine liebevolle, völlig unkitschige Art behandelt werden. Lowry findet nämlich eine gute Balance zwischen Humor und stellenweise fast schon melancholischer Ernsthaftigkeit.
Dies lässt sich am besten durch ein paar Zitate zeigen.

Die folgende Stelle zeigt sehr gut, wie es Lois Lowry gelingt, Stimmung zu erzeugen:
„Eben ging die Sonne unter, und alles war in pastellfarbenes Licht getaucht. Auf einer Bank saß eine Frau, schaukelte einen Kinderwagen und las eine Zeitschrift. Zwei kleine Kinder spielten im Gras, während sich ihre Mütter unterhielten. […] Ein chinesisches Pärchen lachte, wobei das Mädchen den Mund hinter den Händen versteckte. rosagoldenes Sonnenlicht wurde von den Fenstern der Wohnhäuser zurückgeworfen; ein sanfter Wind wehte, und ich wünschte mir, ich hätte Sandalen und ein Kleid mit einem weiten Rock aus einem leichten duftigen Stoff an“

In dieser Szene gefällt mir besonders, wie Lowry einem durch kleine Aktionen den Charakter ihrer Protagonisten offenbart:
„Tom Troll stand unten auf dem gepflasterten Gehsteig und untersuchte eine Raupe, die sich mühte, ihr Ziel zu erreichen, ohne zerquetscht zu werden. […] Er kauerte sich nieder, hob vorsichtig die flauschige Raupe auf und legte sie auf die Wurzeln eines dicken Baums, der am Straßenrand aus einem Rechteck herauswuchs, wo die Erde offen lag.
>Joshua!< rief seine Mutter besorgt. >Pfui, pfui, pfui! Cynthia hast du ein Papiertaschentuch? Wisch ihm bitte die Hände ab, ja?<
Ich seufzte […] und wischte Toms kleine, blitzsaubere Hände ab. Auf der Baumwurzel kuschelte sich die Raupe in ihren kleinen, gelben Pelzmantel. Sie war froh, dass man sie vom Gehsteig gerettet hatte.“

Zu guter Letzt noch kurz etwas Humorvolles:
„Mrs. Kolodny las in der Küche eine alte Ausgabe des Magazins Die gute Hausfrau, während der Geschirrspüler ratterte. Sie hatte vergessen, Spülmittel hineinzugeben, aber ich sagte nichts. Ich dachte mir, die hohe Temperatur würde die Keime wahrscheinlich umbringen.“

Wie man an den obigen Zitaten merkt hat Ulla Neckenauer eine sehr sorgfältige und stimmungsvolle Übersetzung aus dem Englischen geschaffen, was bei Romanen aus den 80ern nicht allzu oft vorkommt.

Selten hat mir ein Jugendbuch so gut gefallen. Ohne reißerisch zu sein oder in irgendeinem Punkt zu übertreiben, erzählt Lois Lowry mit "Sommerfreunde" eine spannende und liebenswerte Geschichte, die realistisch genug ist, nicht mit einem märchenhaften Happyend aufzuhören, aber einen doch mit einer inneren Zufriedenheit zurücklässt.
Altersempfehlung: von 12 bis 99 Jahre, denn für Bücher dieser Art wird man nie zu alt.