Montag, 10. Dezember 2012

Das Gefängnis der Freiheit (Michael Ende)

Ein verwöhnter Lord, der unzufrieden die ganze Welt bereist, um den Ort zu entdecken, an dem er Frieden finden kann; ein Säulengang, der nur 30 Meter lang ist, aber dessen Ende man nie erreichen kann; ein Haus,das kein Inneres besitzt; und eine lebendige Stadt, die sich ihre Erbauer selbst einverleibt hat.
Was all diese Dinge gemeinsam haben?
In jeder Geschichte, die uns Michael Ende in „Das Gefängnis der Freiheit“ vorlegt, geht es um einen besonderen, surrealen Ort, wie er in unserer Welt nicht existieren könnte. Egal ob es sich dabei um einen Palast auf einem Felsenpfeiler mitten im Hindukusch handelt, oder ein kleines Auto, in dem magischer Weise eine ganze Wohnung Platz hat.






Die meisten der Protagonisten sind stets auf der Suche nach etwas: Nach einer Heimat, nach einer verborgenen Welt, nach dem Sinn des Lebens. Sie sind rastlos und unzufrieden mit ihrer Umgebung, wie sie sie kennen. Ständig denken sie, dass es noch mehr geben muss, als das was sie gesehen und gelernt haben, mehr als das Rationale und Nüchterne dieser Welt.

Die Geschichten kommen nicht immer zu einem moralischen Schluss, sondern bleiben oft offen. Sie haben einfach das Ziel auf den Leser mit ihrer Atmosphäre einzuwirken. Man beginnt die Dinge mit anderen Augen zu sehen und über Wunder und Fantasie nachzudenken.
Gerade, dass der Autor einem die Freiheit lässt sich selbst Gedanken zu machen und einem nicht versucht eine vorverfasste Meinung aufzudrängen, hat mir sehr gefallen.

Zwei der Geschichten sind mir besonders im Gedächtnis geblieben: Die erste mit dem Titel „Der Korridor des Borromeo Colmi“ handelt (oben schon kurz erwähnt) von einem Säulengang, dessen Ende nie zu erreichen ist, da man selbst immer weiter schrumpft, je weiter man in ihn hinein geht und deshalb immer langsamer voran kommt.

„Ich ging also zögernd in den Korridor hinein, bei jedem Schritt auf irgendeine unliebsame Überraschung gefasst, während meine Frau diesmal am Eingang zurückblieb. Als ich die Stelle erreicht hatte, wo sie stehengeblieben war, hielt ich ebenfalls inne. Ich blickte umher, doch konnte ich nichts Ungewöhnliches wahrnehmen. Die Säulen zur linken und zur rechten standen regelmäßig und hatten die gleiche Größe wie diejenigen am Anfang des Korridors.  Ich wandte mich zu meiner Frau zurück – und erschrak heftig. Dort stand eine Riesin von ungeheuerlichen Körpermaßen.“
 
In der zweiten Erzählung, „Die Katakomben von Misraim“ leben sogenannte „Schatten“ unter der Erde und fristen ein trostloses Dasein, das nur aus sinnlosen Arbeiten und Schlaf besteht. Das sich trotzdem alle mit ihrem Schicksal abfinden, ist nur aufgrund einer abstumpfenden Droge möglich. Doch ein Schatten, der sich dagegen immun zeigt, ist unzufrieden und startet eine Rebellion.

„Iwri hatte große Angst davor.  Hätte es eine Möglichkeit gegeben, wieder unter die Obhut des Anordners zurückzukehren und vom Schattenvolk aufgenommen zu werden, er hätte vielleicht Gebrauch davon gemacht, nur um nicht mehr allein zu sein. Aber zugleich wusste er, dass er niemals mehr würde aufhören können, nach dem zu suchen, was jenseits der Fenster lag. Es gab also kein Zurück für ihn, dazu war es zu spät. Er musste geschehen lassen, was geschah.“

Die Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, wie schwierig und mutig es ist, sich aufgrund seiner Überzeugung gegen die Masse zu stellen und alles für seine Freiheit zu riskieren.

Mit „Das Gefängnis der Freiheit“ hat Michael Ende außergewöhnliche und auch nachdenklich stimmende Erzählungen in einem Buch zusammen gefasst. Wer gerne Phantastik liest und sich einmal eine Auszeit von simpel gestrickten Sword and Sorcery Werken gönnen möchte (was nicht heißen soll, das die nicht auch spannend und unterhaltend sein können), sollte hier zugreifen.

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