Freitag, 28. Dezember 2012

Riot Grrrl Revisited, Geschichte und Gegenwart einer feministischen Bewegung (Katja Peglow / Jonas Engelmann (Hg.)



 Im deutschsprachigen Raum noch immer erstaunlich unbekannt: Der in Amerika revolutionäre Musikstil, der den Feminismus in den 90ern in die Musik brachte und Frauen die Chance gab, selbst die Gitarre in die Hand zu nehmen und ihren Frust in die Welt hinaus zu schreien. Riot Grrrl, hieß dieses Subgenre des Punks, mit dem die Mädchen in das männerdominierte Reich „Rock“ eindrangen und Gleichberechtigung forderten.
Der Blick auf das Phänomen Riot Grrrl bleibt in dem Buch nicht auf die Musik beschränkt, sondern auch andere Ausdrucksformen wie Film und Fanzines werden berücksichtigt. Es geht vor allem darum die Beweggründe und Ziele der Bewegung aufzuzeigen und deren Einfluss auf die Gesellschaft sichtbar zu machen.







Verschiedenste Essays beleuchten ganz unterschiedliche Teile der Riot Grrrl-Bewegung:
Zuerst wird einem ein geschichtlicher Überblick geboten und die Ursprünge der Riot Grrrls betrachtet. Weiters erfährt man etwas über das Verhältnis der Bewegung gegenüber anderen Musikszenen wie dem Hardcore oder dem Punk und die Verbindung zu queeren Bands.
Diesem ersten Teil folgt ein zweiter, in dem verschiedene Leute über ihre persönlichen Erfahrungen mit Riot Grrrl sprechen, manche davon auch sehr kritisch.
Im dritten und letzten Abschnitt geht es um das Erbe der Riot Grrls, darum was uns davon erhalten geblieben ist.

Besonders gut gefiel mir, dass sich die Herausgeber sehr bemüht haben, die verschiedensten Leute zu Wort kommen zu lassen und objektive sowie subjektive Eindrücke gesammelt haben. Dadurch hat man das Gefühl einen umfassenden Blick auf die Szene zu bekommen.
Positiv ist auch, dass gezeigt wird, dass Riot Grrrl nicht nur ein kurzlebiger Musikstil der 90er war, sondern eine grundlegende feministische Idee, die sich bis heute fortsetzt. Auch wenn die Musikstile, mit denen die Musikerinnen ihre Botschaft verbreiten, vielfältiger geworden sind und sie nicht alle in der selben Szene verankert sind, bleiben die Ziele doch die gleichen: Einfach als Künstlerin gleichsam wie ihre männlichen Kollegen anerkannt zu werden, ohne Diskriminierung und Sexismus ausgesetzt zu sein.
Zu diesem Thema findet sich im Buch ein tolles Zitat der Hamburger DJane Luka Skywalker:

„Du packst eine Unmenge in eine Frage rein, redest da von normativ-konventionellem Heterosexismus, von subversiv anmutendem Nischendasein, von kapitalistischer Verwertung … eigentlich will ich doch einfach nur als Kulturschaffende anerkannt und wahrgenommen werden. Weil ich aber eine Frau bin, muss ich, außer Kunst zu machen, auch noch den Kapitalismus abschaffen, neue Lebensformen finden, mein konstruiertes Geschlecht und das der anderen reflektieren, mich gegen Sexismus wehren, meiner Meinung nach kontraproduktive Strategien anderer Frauen mit ihnen diskutieren und immer wieder mich selbst in  Frage stellen. Ich tu das gerne, wirklich, ich will mich überhaupt nicht beschweren, ich bin sogar mittlerweile süchtig danach. Aber lass mich einmal fies gegenfragen, tun die Männer das eigentlich auch?“
Hoffnungsvolle Ausblicke für angehende weibliche Rockstars bilden sogenannte „Girls Rock Camps“, in denen Mädchen ermutigt werden, aktiv zu werden und selbst Musik zu machen.
„Ladyfeste“ sind Festivals oder Workshops, die sich speziell Musikerinnen und weiblichem Publikum widmen und so die Grundzüge der Riot Grrrl Mentalität aufrecht erhalten .

Natürlich hat Riot Grrrl nicht alle Probleme gelöst, aber es war bereits ein großer Schritt sie offen und unerschrocken anzusprechen. Am Ende bleibt also nur noch die Frage, ob der feministische Aufschrei der Musikerinnen wirklich etwas nachhaltig bewirkt hat?
Ich antworte mit einem „Naja“. Es gibt zwar mehr Frauen, die Musik machen als je zuvor (auch außerhalb des Mainstreambereichs), dennoch gelten Bands, die nur Frauen als Mitglieder besitzen noch immer als Seltenheit, während reine Männerbands als völlig normal angesehen werden.

Ein tolles Buch für alle Musik- sowie Feminismus-Interessierten!
Wer allerdings in diesem Blogeintrag das erste Mal in seinem Leben etwas über Riot Grrrl gehört hat, und nicht bereit ist 17€ für „Riot Grrrl Revistited“ auszugeben, sollte zumindest mal den Wikipedia-Artikel über Kathleen Hanna lesen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen