Samstag, 24. November 2012

Ein Jahr ohne „Made in China“: Eine Familie – ein Boykott – ein Abenteuer (Sara Bongiorni)

 (Im Original: „A Year without >>Made in China<<: One Family’s True Life Adventure in the Global Economy)

Sara Bongiorni, Ehefrau und Mutter zweier kleiner Kinder, teilt, einer plötzlichen Eingebung folgend, an einem Morgen kurz nach Weihnachten alle Geschenke in zwei Gruppen ein: „China“ und „nicht China“. Die Auszählung ergibt, dass 25 Geschenke aus China und nur 14 aus der restlichen Welt kommen. Bongiorni begreift, dass China ihr Leben und ihren Haushalt bereits erobert hat und trifft die Entscheidung China für ein Jahr zu boykottieren.
„China verströmt ein blaues Glühen vom DVD-Player und glitzert in den Lichtern und Glaskugeln des welkenden Weihnachtsbaums in der Ecke des Wohnzimmers. China juckt an meinen Füßen mit einem Paar Ringelsocken. Es liegt in einer unordentlichen Reihe chinesischer Schuhe neben der Haustür, beobachtet die Welt durch die gestickten Augen einer rothaarigen Puppe und unterhält den Hund mit einem chinesischen Gummispielzeug. China wirft einen gelben Lichtkranz von der Lampe auf dem Klavier.“

Damit soll nun Schluss sein. Nichts neues, das aus China kommt darf gekauft werden, alles aus der restlichen Welt ist in Ordnung. Alte Gegenstände aus China dürfen im Haus bleiben, Geschenke, die in China hergestellt wurden dürfen auch angenommen werden.
Auch wenn diese Regeln schon sehr locker sind, war es nach den Erzählungen des Buches für Sara Bongiorni keineswegs einfach sie einzuhalten. In den USA scheint es viel schwieriger zu sein als bei uns in Österreich (über Deutschland weiß ich nicht so genau Bescheid, aber dort wird sicher auch leichter sein als in den Staaten) lokal hergestellte Produkte einzukaufen. So wird zum Beispiel die Suche nach neuen Schuhen für ihren vier-Jährigen Sohn, die nicht in China hergestellt wurden, zu einer wochenlangen verkrampften Suche, ehe sie ein sündteures Paar, das in Italien gefertigt wurde, aus einem Katalog bestellt.
Mir fallen im Gegensatz dazu in meiner Stadt gleich drei Geschäfte mit in Österreich gefertigten Schuhen ein.

Der China-Boykott bringt auch hin und wieder Probleme mit sich, was die Familienharmonie betrifft. Die Kinder verstehen manchmal nicht, warum sie etwas nicht haben dürfen und der Ehemann schmollt ab und zu. Im Großen und Ganzen macht die Familie trotz kleiner Strapazen, die sie durch das Experiment ertragen müssen,  jedoch einen zufriedenen Eindruck. Die Kinder bekommen genügend Aufmerksamkeit und Liebe der Eltern, sowie nicht-chinesisches Spielzeug, sodass ihnen nichts fehlt.

Ziemlich verwundert war ich über die Reaktion der Personen im Umkreis der Bongiornis. Anstatt Sara zu unterstützen oder sich für das Projekt zu interessieren, begegnen die meisten Verwandten, Nachbarn und Freunde dem Vorhaben entweder mit Spott oder Ablehnung. Ich frage mich, ob in Westeuropa die Reaktion nicht anders ausfiele.
Auch als die Presse gegen Ende des Jahres auf den China-Boykott aufmerksam wird und die Familie für die Zeitung interviewt, entsprechen die fertigen Artikel nicht immer der Wahrheit. Die chinesische Presse entwirft Horrorszenarien eines zerrütteten Familienlebens und weinenden Kindern ohne Spielzeug.

Die Frage, wie sich das Leben für Sara Bongiorni durch den China-Boykott verändert hat, beantwortet sie so:
„Ich veränderte mich als Verbraucher. Ich achtete darauf, welche Wahl ich traf. Einkaufen wurde, was es jahrzehntelang, wenn ich durch die Einkaufszentren geschlendert war, noch niemals gewesen war: bedeutsam. Es war eine befriedigende Veränderung.“
 
Auch wenn Sara Bongiorni in den USA lebt, und es bei uns viel leichter ist, heimische Produkte zu finden, hat mich das Buch doch sehr nachdenklich darüber gestimmt, wie sehr unser Lebensstil von außen bestimmt ist und wie wenig Möglichkeiten es gibt, Alternativen zu finden. Ich empfehle „Ein Jahr ohne >>Made in China<<“ allen, die einfach Lust auf einen interessanten Erfahrungsbericht haben, oder sich einen Anstoß wünschen, die eigenen Kaufgewohnheiten zu überdenken.

Gleich nach Lesen des Buches musste ich nachsehen, wo meine beiden Paar Lieblings-Sneakers hergestellt wurden – Nein, nicht in China, sondern Vietnam. ;)   

Freitag, 16. November 2012

Northanger Abbey (Jane Austen)

(zu dt.: „Die Abtei von Northanger“)
Die 17-Jahrige Catherine Morland hat eine große Leidenschaft: Romane. Wie sonst sollte sie sich mit genügend Informationen versorgen, wenn sie wissen will, wie sie sich als zukünftige Heldin in allen Lebenssituationen zu verhalten hat?
Eine unerwartete Gelegenheit ihr Heldinnen-Potential unter Beweis zu stellen, ergibt sich, als zwei Freunde der Familie, Mr. und Mrs. Allen, Catherine einladen für einige Wochen mit nach Bath zu kommen. Zum ersten Mal in ihrem Leben verlässt sie ihr kleines Heimatdorf, Fullerton, und wirft sich in den blendenden Glanz und die Aufregung der gehobenen Gesellschaft. Sie besucht Bälle, geht ins Theater, unternimmt wilde Kutschenfahrten, wohnt Dinnern bei und findet neue Freunde. Und vielleicht auch die große Liebe?
Als sie schließlich von der sympathischen Miss Tilney und deren Bruder eingeladen wird, mit nach Northanger Abbey zu kommen, meint Catherine dort einem dunklen Geheimnis auf die Spur zu kommen, genau wie es in ihren Romanen passiert.


Mit Catherine Morland hat Jane Austen eine naive sowie etwas weltfremde Protagonistin geschaffen, die der Überzeugung ist, die Welt sei genau wie sie es aus ihren Liebesgeschichten kennt. Dadurch teilt sie andere gerne nach dem ersten Eindruck in die platten Kategorien „gut“ und „böse“ ein, ohne genauer hingesehen zu haben, was im Laufe der Geschichte für so manche unangenehme Überraschung für Catherine sorgt. Oft ist sie blind gegenüber schlechter Absichten anderer Personen und lässt sich leicht beeinflussen. So freundet sich Catherine zum Beispiel zu Beginn mit der egoistischen, wankelmütigen Isabella Thorpe an und wird sich erst spät deren schlechten Charakters bewusst.
Miss Morland wird aber auch als herzensguter, offener und freundlicher Mensch beschrieben, der stets in der besten Absicht handelt, wodurch sie die Freundschaft der netten Tilneys gewinnt.
Catherine ist in dieser Erzählung nicht nur auf der abenteuerlichen Suche nach persönlichem Glück, sondern auch nach dem Erlangen geistiger Reife.

„Northanger Abbey“ gilt als erstes größeres Werk Jane Austens. Sie verkaufte das Manuskript bereits 1803, aber es wurde erst nach ihrem Tod 1818 veröffentlicht.
Viele für sie typische Elemente finden sich bereits in dem Roman, wenn auch weniger stark ausgeprägt als in späteren Werken. so zum Beispiel die fast ins Lächerliche gezogenen Charaktere, die ihre Schwächen allerdings noch nicht vollständig selbst aufdecken; hin und wieder bedarf es einer unterstützenden Erklärung des allwissenden Autors, der uns die Charaktere explizit beschreibt. Auch die Ironie und Süffisanz, die in Austens Dialogen oft zu finden sind, sind schon zum Großteil vorhanden. Weiters hat mich wieder einmal fasziniert, wie sie es schafft die Geschichte spannend zu machen, obwohl nichts wirklich Besonderes oder Aufwühlendes geschieht.
Leider ist der Roman eher simpel gestrickt und teilweise vorhersehbar. Das Handlungs-Schema lässt sich in einem Satz zusammen fassen: Zuerst kommt Catherine nach Bath und verbringt danach einige Wochen in Northanger, ehe der Schluss etwas abrupt und gezwungen schnell die Geschichte abschließt.

Das Hauptziel des Buchs, Gothic Novels aufs Korn zu nehmen, ist jedoch sehr gut gelungen. Gothic Novels – schaurige Romane, oft auch mit einer Liebesgeschichte verbunden – waren zu Jane Austens Zeit vor allem unter jungen Frauen der letzte Schrei. Auch im deutschsprachigen Raum waren ähnliche Geschichten (heute bekannt unter dem Sammelbegriff „schwarze Romantik“) sehr beliebt. Indem Austens Hauptcharakterin versucht nach dem Vorbild der Heldinnen ihrer Romane zu handeln und dadurch scheitert, parodiert und kritisiert die Autorin dieses Genre.

„Northanger Abbey“ hat mir aufgrund des geistreichen Humors gut gefallen. Dieser ist allerdings weniger ausgereift als in ihren späteren Romanen. Als Einstiegswerk für Jane Austen würde ich eher „Pride and Prejudice“ („Stolz und Vorurteil“) oder „Sense and Sensibility“ („Verstand und Gefühl“) empfehlen. Aber alle, die schon etwas von ihr gelesen haben und Lust haben sich an einem weiteren ihrer Romane zu versuchen, werden „Northanger Abbey“ sicher mögen, das es zumindest in Grundzügen bereits alle Zutaten enthält für die wir Austens Werke lieben.

Freitag, 9. November 2012

[Top Ten der Bibliophilie:] Du bist eindeutig büchersüchtig, wenn du...


10) ... aus jedem Urlaub mindestens ein Buch als Erinnerung mitbringst.

9) ... regelmäßig von deinen Lieblingscharakteren träumst.

8) ... in keinen Buchladen gehen kannst, ohne etwas zu kaufen.

7) ... nicht mehr ohne Buch aus dem Haus gehen kannst.

6) ... beginnst alle Leute in deiner Umgebung mit Buchcharakteren zu vergleichen.

5) ... all deinen Freuden stets mehr über die Geschichten, die du gelesen hast, erzählst, als über Dinge, die dir passiert sind.

4) ... Mordgelüste gegenüber jemandem verspürst, der ein Eselsohr in eine Buchseite macht.

3) ... ein Notfallregal eingerichtet hast, um im Falle eines Brandes oder einer anderen Katastrophe die wichtigsten Bücher schnell in Sicherheit bringen zu können.

2) ... deinem Lieblingsbuch einen Gute-Nacht-Kuss gibst.

1) ... an jedem neuen Buch, das du in die Hand nimmst riechst und immer genau weißt, ob schon einmal eines genau so roch (so in etwa wie: "Ach ja, damals vor fünf Jahren, dieser eine Bildatlas über arabische Kriegsgeschichte...").

Trifft etwas davon auch auf euch zu? (Auf mich ja so ziemlich alles bis auf 2 ;))
Fallen euch noch andere seltsame Gewohnheiten ein, die man so als "Büchernerd" an den Tag legt?

Sonntag, 4. November 2012

[Kurzrezension:] English Provberbs explained (Ronald Ridout and Clifford Witting)





In der Einleitung wird kurz diskutiert, was  Sprichwörter auszeichnet, sowie wo ihre Ursprünge liegen, ehe es zum Hauptteil geht, in dem die Bedeutung der alphabetisch geordneten Sprichwörter erklärt wird. Perfekt zum Nachschlagen und Stöbern.
Da das Buch nicht mehr neu aufgelegt wird, ist es jedoch nur mehr als Gebraucht-Exemplar oder in gut bestückten Büchereien zu finden.

Kommt für alle infrage, die mehr als nur: „An apple a day keeps the doctor away.“ kennen und können wollen.
Dieses Sprichwort kommt in dem Buch übrigens nicht vor, scheint aber bei 800 Einträgen das ziemlich einzig fehlende zu sein.