Sara Bongiorni, Ehefrau und Mutter zweier kleiner Kinder, teilt, einer plötzlichen Eingebung folgend, an einem Morgen kurz nach Weihnachten alle Geschenke in zwei Gruppen ein: „China“ und „nicht China“. Die Auszählung ergibt, dass 25 Geschenke aus China und nur 14 aus der restlichen Welt kommen. Bongiorni begreift, dass China ihr Leben und ihren Haushalt bereits erobert hat und trifft die Entscheidung China für ein Jahr zu boykottieren.
„China verströmt ein blaues Glühen vom DVD-Player und glitzert in den Lichtern und Glaskugeln des welkenden Weihnachtsbaums in der Ecke des Wohnzimmers. China juckt an meinen Füßen mit einem Paar Ringelsocken. Es liegt in einer unordentlichen Reihe chinesischer Schuhe neben der Haustür, beobachtet die Welt durch die gestickten Augen einer rothaarigen Puppe und unterhält den Hund mit einem chinesischen Gummispielzeug. China wirft einen gelben Lichtkranz von der Lampe auf dem Klavier.“
Damit soll nun Schluss sein. Nichts neues, das aus China kommt darf gekauft werden, alles aus der restlichen Welt ist in Ordnung. Alte Gegenstände aus China dürfen im Haus bleiben, Geschenke, die in China hergestellt wurden dürfen auch angenommen werden.
Auch wenn diese Regeln schon sehr locker sind, war es nach den Erzählungen des Buches für Sara Bongiorni keineswegs einfach sie einzuhalten. In den USA scheint es viel schwieriger zu sein als bei uns in Österreich (über Deutschland weiß ich nicht so genau Bescheid, aber dort wird sicher auch leichter sein als in den Staaten) lokal hergestellte Produkte einzukaufen. So wird zum Beispiel die Suche nach neuen Schuhen für ihren vier-Jährigen Sohn, die nicht in China hergestellt wurden, zu einer wochenlangen verkrampften Suche, ehe sie ein sündteures Paar, das in Italien gefertigt wurde, aus einem Katalog bestellt.
Mir fallen im Gegensatz dazu in meiner Stadt gleich drei Geschäfte mit in Österreich gefertigten Schuhen ein.
Der China-Boykott bringt auch hin und wieder Probleme mit sich, was die Familienharmonie betrifft. Die Kinder verstehen manchmal nicht, warum sie etwas nicht haben dürfen und der Ehemann schmollt ab und zu. Im Großen und Ganzen macht die Familie trotz kleiner Strapazen, die sie durch das Experiment ertragen müssen, jedoch einen zufriedenen Eindruck. Die Kinder bekommen genügend Aufmerksamkeit und Liebe der Eltern, sowie nicht-chinesisches Spielzeug, sodass ihnen nichts fehlt.
Ziemlich verwundert war ich über die Reaktion der Personen im Umkreis der Bongiornis. Anstatt Sara zu unterstützen oder sich für das Projekt zu interessieren, begegnen die meisten Verwandten, Nachbarn und Freunde dem Vorhaben entweder mit Spott oder Ablehnung. Ich frage mich, ob in Westeuropa die Reaktion nicht anders ausfiele.
Auch als die Presse gegen Ende des Jahres auf den China-Boykott aufmerksam wird und die Familie für die Zeitung interviewt, entsprechen die fertigen Artikel nicht immer der Wahrheit. Die chinesische Presse entwirft Horrorszenarien eines zerrütteten Familienlebens und weinenden Kindern ohne Spielzeug.
Die Frage, wie sich das Leben für Sara Bongiorni durch den China-Boykott verändert hat, beantwortet sie so:
„Ich veränderte mich als Verbraucher. Ich achtete darauf, welche Wahl ich traf. Einkaufen wurde, was es jahrzehntelang, wenn ich durch die Einkaufszentren geschlendert war, noch niemals gewesen war: bedeutsam. Es war eine befriedigende Veränderung.“
Auch wenn Sara Bongiorni in den USA lebt, und es bei uns viel leichter ist, heimische Produkte zu finden, hat mich das Buch doch sehr nachdenklich darüber gestimmt, wie sehr unser Lebensstil von außen bestimmt ist und wie wenig Möglichkeiten es gibt, Alternativen zu finden. Ich empfehle „Ein Jahr ohne >>Made in China<<“ allen, die einfach Lust auf einen interessanten Erfahrungsbericht haben, oder sich einen Anstoß wünschen, die eigenen Kaufgewohnheiten zu überdenken.
Gleich nach Lesen des Buches musste ich nachsehen, wo meine beiden Paar Lieblings-Sneakers hergestellt wurden – Nein, nicht in China, sondern Vietnam. ;)